Vorstandsmitglied Eva-Karen Tittmann mit Manifest
Foto: Malah Helman
Berlin ist für seine freie Theaterszene bekannt, jedoch fand diese bisher in der Kulturpolitik wenig Gehör. Der Berliner Kulturetat hatte 2007 ein Volumen von 342.908.600 €. Das sind 1,7% des Gesamtetats und 34 Millionen € weniger als 2005. Die Theaterförderung beträgt 194.530.000 €. Die freie Szene bekommt davon 4.215.000 €. Das sind 792.000 € mehr als 2005. 25 freie Gruppen bekommen eine Basisförderung, 20 eine Einzelprojektförderung und 7 eine Spielstättenförderung. Dennoch ist Ausstattung nicht üppig. Insbesondere auf der bezirklichen Ebene sieht der Sparplan des Senats im nächsten Jahr drastische Einschnitte vor, also an den Töpfen, wo Unbekannte und Anfänger am ehesten eine kleine Startförderung erhalten. Viele Projekte, auch in der Jugendarbeit werden eingespart. In Mitte, Pankow und Friedrichshain wurden die Stellen für die Betreuung der freien Szene gestrichen. Gespart wird also an den kreativen Wurzeln der Freien Szene. Für das im August gegründete Expertenprogramm (Berlin Board) hingegen, das die Stadt werbetechnisch auf Vordermann bringen soll und das vorwiegend aus den Vorständen hiesiger Konzerne besteht, hat der Erfinder Klaus Wowereit 10 Millionen Euro bereitgestellt. Seit kurzem gibt es nun des Landesverband Freie Theaterschaffende, der die Belange der Szene gegenüber der Politik vertreten möchte. Malah Helman sprach mit dem Vorstandsmitglied Eva-Karen Tittmann.
Wie kam es zur Gründung?
Im Januar 2006 veranstaltete der Fonds Darstellende Künste ein Symposium zur Situation der Freien Theaterszene, wo auch thematisiert wurde, dass es in Berlin keinen Landesverband der Freien Theaterschaffende, wie in den anderen Bundesländern gab. Im November gab es dann eine Theatertafel (Treffen freier Theaterschaffender in Hamburg und Berlin) zum Thema Netzwerke. Anwesend waren das National Performing Network, das Tanzbüro Berlin und der Bundesverbands Freier Theater sowie der Fonds Darstellende Künste. Spontan hatte sich dort eine Gruppe zusammengetan um einen Berliner Landesverband zu gründen.
Wie ist eure Struktur?
Wir sind ein Verein und sind berufs- und genreübergreifend organisiert. Auch Bühnenbildner oder Theaterpädagogen, Produzenten oder auch Spielstätten oder Strassentheatergruppen sind vertreten. Der Bundesebene (BUFT) vereint alle Landesverbände.
Wie ist die Situation der freien Theaterschaffenden in Berlin?
In Berlin gibt es eine Ausnahmesituation. Die Künstlerdichte ist einzigartig hoch, sie ist von einer hohen Fluktuation gekennzeichnet, aber auch von Internationalität. Es gibt durch die verschiedenen Förderungen im Vergleich mit andern Bundesländern noch relativ viel Geld. Allerdings ist die Anzahl der Freien Theaterschaffenden gestiegen. Da in den institutionellen Häusern viel gekürzt wurde, bewerben diese sich nun auch um die vorhandenen Förderungen. Daher ist es jetzt viel schwieriger für Freischaffende an Projektgelder zu kommen, besonders Anfänger oder weniger bekannte TheatermacherInnen stehen in Konkurrenz mit dem Renommee dieser Einrichtungen. Es gibt kaum noch Raum für das, was gerade die Berliner Theaterszene kennzeichnet: Experimente. Es gibt auch ein strukturelles Problem, denn viele KünstlerInnen bewegen sich ständig zwischen Freiberuflichkeit, Festverträgen und Nebenjobs. Die Last tragen die KünstlerInnen, viele können sich kaum ihre Krankenkasse oder eine Altersvorsorge leisten. Zum Teil arbeiten Theaterprofessionelle in der Freien Szene kostenlos und beziehen zum Lebensunterhalt Arbeitslosengeld2.
Was habt Ihr Euch vorgenommen?
Wir wollen die Arbeitsbedingungen der freien Theaterschaffenden verbessern. Wir starten daher daher zusammen mit dem BUFT, dem Fonds Darstellende Künste und ver.di eine sozialwissenschaftliche Studie über die Arbeits- und Lebensbedingungen Freier Theaterkünstler. Es gibt einzelne, aber keine umfassende Studien mit fundierten Zahlen. Die soziale Lage aber auch die Arbeitsbedingungen müssen erfasst werden. Wir befürchten z.B. dass es in einigen Jahren in diesem Bereich zu einer hohen Alterarmut kommen wird, denn die meisten können sich keine Altersvorsorge leisten. Förderung ist ein wichtiges Thema, denn sie garantiert den Erhalt dieser Szene. Wir sind mit der Senatsverwaltung in Kontakt, um gemeinsam mit dem Tanzbüro die Überarbeitung der Förderkriterien mit zu gestalten. Es ist natürlich wünschenswert einen Kompromiss zu finden, einerseits die Förderungen breit zu streuen, andererseits aber auch größere Projekte möglich zu machen. Außerdem wollen wir zu den Arbeitsbedingungen beraten, etwas was man an den Theaterschulen kaum vermittelt bekommt und natürlich Netzwerk und Interessensvertretung sein. Zum Beispiel leistet der „Rat der Künste“ in Berlin für die Institutionen schon eine wichtige Lobbyarbeit, für die freie Szene gab es da bisher keine Stimme.
Welche Förderungen gibt es im Freien Theater in Berlin?
Es gibt die verschiedenen Senatsförderungen (Projektförderung, Spielstättenförderung, Basisförderung) und die kleineren Fördertöpfe auf der Bezirksebene. Außerdem für Notfälle die Käthe-Dorsch-Stiftung und auf Schloß Bröllin Arbeitsstipendien.
Das Potential der Kultur wird oft beschworen. Auch die Kulturwirtschaft erfährt einen Hype und Berlin als Kulturstadt hat eine große Anziehungskraft, dieTourismusbranche floriert. Nur bei den KünstlerInnen kommt immer weniger an. Wie kann man das ändern? Sollte eine Kulturtaxe eingeführt werden?
Das Potential ist erkannt. Aber die Arbeits- und Lebensbedingungen sind prekär. Ein Problem liegt in der öffentlichen Wahrnehmung der Freien Szene. Die Presse berichtet fast ausschließlich über die Produktionen der großen Häusert. Für die freie Szene ist das ein Teufelskreis, denn um Anträge zu stellen, ist man auf Rezensionen angewiesen. In Berlin fehlt ein Medium für die freie Szene. Immerhin für den Tanz gibt es jetzt den „Tanzraum“, der alle 2 Monate erscheint.
Bei Euch sind Spielstätten und Einzelkünstler Mitglieder. Führt das nicht auch zu Interessenskonflikten? Es ist ja durchaus so, daß eine Spielstätte gefördert wird und ihre Räume an freie Gruppen vermietet, die diese bespielen, aber ohne Förderung von den Einnahmen, Produktionskosten, Werbung, Miete und Honorare zahlen, was kaum zu lsieten ist, so dass die Beteiligten meist leer ausgehen. Den positiven Effekt hat dann eigentlich nur die Spielstätte.
Es ist natürlich die Frage, ob eine Spielstättenförderung auch alle Kosten deckt. Ich kenne keine Spielstätte, die sich über die Spielstättenförderung und den gastierenden Künstlern bereichtert. Wir versuchen gerade die Senatsförderung auf die Vorstellungen zu erweitern, mit einer solchen Förderung wären auch die Honorare für die Vorstellung abgedeckt und nicht nur der Produktionsprozess. Gelder nur in die Herstellung zu stecken ist nicht nachhaltig. Wir wollen ja auch, dass das Stück spielt und z.B. auch auf Tournee geht und das ist ohne Subventionen nicht zu machen.
Was würdet Du Dir wünschen?
Meine Arbeit als Produktionsleitung würde in der Wirtschaft mit 3-4000 Euro pro Monat honoriert werden. Ich würde mir wünschen, dass auch künstlerische Arbeit wieder wertgeschätzt wird. Durch Armut und Ausbeutung leidet auch die künstlerische Qualität. Kultur ist eine der größten Errungenschaften, sie ist für die Seele. Kulturschaffende sollen nicht aus den sozialen Netzen herausfallen. Die Gesetzgebung muss den spezifischen Arbeitsbedingungen der freischaffenden Künstler angepasst werden.
Malah Helman (gekürzt erschienen im ver.di sprachrohr 12/07)
Landesverband freie Theaterschaffende Berlin:
www.freie-theaterschaffende-berlin.de
[email protected]Bundesverband Freie Theater:
www.freie-theater.de
Senatsförderung:
www.berlin.de/sen/kultur/index.html
Käthe-Dorsch-Stiftung:
www.berlin.de/ba-charlottenburg-wilmersdorf/extra/wissenswertes/lexikon/k_dorsch_stift.html
Schloß Bröllin:
www.broellin.de
Kulturämter derBezirke:
www.berlin.de/verwaltungsfuehrer/kunst-kulturaemter
Hauptstadtkulturfonds:
www.berlin.de/hauptstadtkulturfonds/typo/index.php
Fonds Darstellende Künste:
www.fonds-daku.de
Kulturstiftung des Bundes:
www.kulturstiftung-des-bundes.de