Wo kann man heute noch daheim sein?


Die von Savvy Contempory kuratierte Ausstellung „Nomadic settlers – settled nomads“ im Kunstraum Kreuzberg beschäftigt sich mit zwei essentiellen menschlichen Zuständen des Seins zwischen Nomadentum und Heimat. Heimat oder auch Sesshaftigkeit folgt kulturgeschichtlich dem Nomadentum nach. Und so scheint der Begriff „Heimat“ erst in der Fremde begreiflich (Theodor Fontane). Die Werke der internationalen, teilweise in Berlin lebenden KünstlerInnen, bringen sich Kontext des Themas gegenseitig zum Erzählen.

Heimat ist vielleicht nur eine Hausnummer (131, Roberto Duarte) oder da, wo man sich einen Parkettboden legt, diesen im Stress der globalisierten Gesellschaft aber sogleich wieder verlässt (Because I always feel like running, Yasmin Alt). Heimat ist eine Luftspiegelung (A plantation memory, Yasmin Alt). Heimat vermutet man da, wo jemand einen Vorhang aufhängt (Vorhang, Juan Duque) oder dort, wo man seine Unterwäsche fallen lässt (Kleiderwoche, Magda Korsinksy). Heimat bemerkt man im weggehen (Just before I left I turned back, Paul Huf).

Heimat ist da, wo man sein kann, aber das Selbst oder auch die Erinnerung sind flüchtig, lassen sich nicht fixieren, sind irgendwo oder auch nirgendwo (Static displacement, Rudy Cremonini). Im Südseemotiv spiegelt sich die Sehnsucht nach dem Ursprung, dem Stadium des Unbewussten, des ganz Seienden in der Harmonie mit der Natur (Schwimmerinnen, Dalila Dalléas). Gleich gegenüber wiederum Heimat als Alptraum, als Sinnbild für Stagnation in Form eines hermetisch abgeschlossenen Wohnraums bewacht von einer bügelnden Frau mit Gretchenfrisur, angebundene Schwäne flattern im aufblasbaren Schwimmbecken- nicht gehen können, auch das ist Heimat (Before Time was an Issue, Lars Bjerre). Heimat muss eine Mischung zwischen Hölle und Paradies sein (Bildreihe Michael á Gromma). Jedoch was passiert, wenn die Heimat brennt (Bildreihe Joris Vanpoucke)? Die temporäre Strohhütte weicht Lehm- und später Hochäusern. Das bagpacker Zelt des polyglotten Traveller greift auf die Form des nomadischen Tipi zurück- im Gegensatz zum kulturell verorteten Nomaden (der Frühzeit) bewegt sich jener im räumlichen Vakuum zwischen Ankunft und Abflug. Eine sehr sehenswerte Ausstellung, die das Thema aus vielen Blickwinkeln beleuchtet. Eine Frage bleibt; wenn die settled nomads, die sesshaft gewordenen nomaden zu nomadic settlers, zu nomadisierenden Siedlern werden, was passiert mit dem Planeten? Die Bilder abgeholzter Wälder sind bereits Medienalltag, aber, so scheint es, noch nicht im gesellschaftlichen Bewusstsein angekommen. Die Diskrepanz zwischen lokal und global bleibt auch nach der Auflösung der Heimat.
Malah Helman

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